Eine Zeit lang war ich auch Kreischorleiterin im Sängerkreis Wasserburg Ebersberg, heute Chorverband Region Münchner Osten e.V.
Neben anderen Konzerten des Chorverbands veranstaltete ich 2009 ein Kreiskonzert in Glonn zur Geschichte der Kirchenmusik. Es kam so gut an, dass ich es nunmehr der Allgemeinheit zur Verfügung stellen will.
Hier der Ablauf mit meinem Vortrag und den eingebauten Links für die Musikbeispiele und Chorvorträge. Da die Qualität des gesprochenen Wortes aufgrund der Mikrophonausrichtung auf die Musik ungenügend war, ist hier der Vortrag aussschließlich als Text zu lesen. Die Musikbeispiele sind per Link anzuhören.
Dieses Kirchenkonzert des Sängerkreises Wasserburg-Ebersberg darf man ruhig auch als Geschichtsunterricht auffassen – ein Geschichtsunterricht der besonderen Art. Mich freut besonders, dass wir unter den Zuhörern auch Schüler des Grafinger Gymnasiums haben, und ich will mich bemühen, diesen Unterricht so kurzweilig wie möglich zu gestalten.
Begrüßen möchte ich Herrn Haffner an der Orgel, der meine Ausführungen klanglich verdeutlichen wird.
Musik existierte lange vor der geschichtlichen Zeit und lange bevor es dafür eine Notenschrift gab. Die Notenschrift wurde ursprünglich für den Gesang in der Kirche entwickelt. Die für uns fassbare Geschichte der Musik ist daher über weite Strecken in der Entwicklung der Kirchenmusik zu verfolgen.
Die erste Stilepoche, die für unsere Ohren nach 1500 Jahren wieder hörbar gemacht wird, ist die Gregorianik. Was war das für eine Zeit?
Zeitgeist
Die Menschen waren sehr gottesfürchtig. Alle Ereignisse wurden als Ausdruck einer überirdischen Macht angesehen. Das tägliche Leben war durchdrungen von Mystik. In der Alchimie, waren Zaubersprüche bzw. Gebete bei Herstellungsprozessen nicht wegzudenken. Man glaubte fest, dass diese zum Gelingen der Versuche dringend notwendig waren. Wie wenig wir diese Zeit verstehen können, beweist auch die damalige Vorstellung, dass die Erde eine Scheibe sei. Nur ansatzweise können wir das Empfinden der Menschen so lange vor unserer Zeit begreifen.
Die Kunst, wie sie ja immer Strömungen erfasst und ausdrückt, hilft uns dabei in der Form von Musik diese Zeit zu erspüren.
Musik
Die Gregorianische Musik geht zurück auf den jüdischen Tempelgesang und die byzantinische Musik der frühchristlichen Zeit. Papst Gregor der Große sorgte ca. 600 nc dafür, dass die vielen Formen und Stilarten, die sich damals entwickelt hatten, vereinheitlicht wurden. Daher der Name Gregorianik. Sie zeugt vom liturgischen Gesang der christlichen Kirche in lateinischer Sprache.
Anfangs noch einstimmig ohne Taktmaß und im Rhythmus an die Silben des vorgetragenen Wortes angepasst, wurden Andachten und Gebetsrituale gesanglich begleitet. Neben den Dur- und Molltonarten gab es die sogenannten Kirchentonarten, die zum Teil in den Liedern, die wir aus dem Gotteslob kennen, noch erhalten sind. Die Pflege gregorianischer Gesänge geht bis in die heutige Zeit.
Sie werden gleich feststellen, dass die Einstimmigkeit ihren besonderen Reiz hat. Denn durch das Echo entsteht eine Überlagerung der einzelnen Töne, und dadurch erklingt sozusagen eine Mehrstimmigkeit.
Ab ca 800 nc entstand allmählich Mehrstimmigkeit. Man sang dieselbe Melodie beispielsweise im Quart- oder Quintabstand. Jetzt gibt uns Herr Haffner ein Beispiel. Sie hören eine Melodie einstimmig und dann im Quintakkord.
Die Terz galt damals noch als unreiner Klang und wurde vermieden. Der Zusammenklang der einzelnen Stimmen, die oft im Text und in der Melodie eigenständig waren, war eher rein zufällig und dementsprechend für heutige Ohren gewöhnungsbedürftig. Wir würden sagen: Es klang stellenweise richtig schräg.
Hören wir einen einstimmigen gregorianischen Gesang, den der Coro Azzalinga unter der Leitung von Martin Baumann vortragen wird.
„Vexilla regis prodeunt“, Verfasser unbekannt,
in Kombination mit dem Lied „Que vulnerata“ des Flamen Guillaume Dufay, dessen Musik noch deutlich unter dem Einfluss der Gregorianik stand, aber bereits zur Rennaissance gezählt wird.
Die nächste, sich deutlich von der Gregorianik absetzende Musikepoche ist die Renaissance, die man auch als Zeitalter der Niederländer bezeichnet. Sie fällt in das 15. und 16. Jahrhundert.
Zeitgeist
Die Renaissance verkörpert das kulturelle Aufleben der griechischen und römischen Antike im Europa des 14.bis Anfang des 17. Jhs.
In der Wissenschaft, Kunst und Gesellschaft vollzog sich eine Entwicklung des Menschen zu individueller Freiheit im Gegensatz zum Ständewesen des Mittelalters.
Musik
In der Musik entwickelte sich die Mehrstimmigkeit weiter. Alle Arten des Kanons, die Imitation – eine Art des Ineinandersingens – wurden nun gepflegt mit dem Nachteil, dass man die Texte kaum mehr verstand. Außerdem verwendete man weltliche Melodien für kirchliche Texte, das vor allem in der protestantischen Kirchenmusik, Parodie genannt.
Man strebte dann die Übereinstimmung von Wort und Ton an, und im Konzil von Trient ca 1550 nc wurde gefordert, dass die verschiedenen Stimmen auch harmonisch zusammenklingen sollten. In diesem Zusammenhang entwickelte man die Akkordfolge der Kadenz mit Haupt- und Nebenstufen.
In Dur
Dissonnanzen wurden in ihrer Wirkung verstanden und gezielt eingesetzt. Das waren große Entwicklungen, auf denen wir heute noch aufbauen. Jetzt begann man einzelne Stimmen mit Instrumenten zu stützen oder zu ersetzen. So entstanden eigenständige instrumentale Formen.
Bestimmte Melodieformeln erhielten ganz bestimmte Ausdrucksbedeutungen – eine Art musikalische Rhetorik, auch musikalische Affektsprache genannt. Heute ist es selbstverständlich, dass Gefühle über die Musik transportiert werden.
Die Kirchentonarten verloren dann an Bedeutung. Es festigte sich das Dur- und Mollsystem. Sie hören nach den harmonischen Gesetzmäßigkeiten eine Mollkadenz, eine harmonische Molltonleiter und eine Durtonleiter.
Mollkadenz
Molltonleiter